Amazon testet ein neues Retourenmodell: Kund:innen können bestimmte Produkte behalten – und dennoch einen kleinen Pauschalbetrag zurückerhalten. Diese sogenannte „Behalte-Option“ soll den Rückgabeprozess vereinfachen und unnötige Retouren einsparen. Doch wie funktioniert das genau, wann bietet Amazon diese Teilrückerstattung an, und was bedeutet das rechtlich? Wir erklären verständlich, welche Risiken Kund:innen eingehen, wann sich das Angebot lohnt – und wann besser nicht.
So funktioniert die neue Behalte-Option von Amazon
Stellen wir uns einen typischen Fall vor: Jemand bestellt bei Amazon einen Kopfhörer. Nach dem Auspacken zeigt sich ein kleiner Mangel – etwa ein Kratzer oder ein Wackelkontakt. Normalerweise würde man nun den Retourenprozess starten: Rücksendeetikett erstellen, das Paket bei der Post aufgeben, und nach ein paar Tagen den Kaufpreis zurückerhalten.
Doch seit neuestem taucht bei Amazon mitunter eine zusätzliche Option auf: Im Retouren-Menü bietet der Händler überraschend an, das Produkt zu behalten und trotzdem eine Erstattung zu bekommen. In diesem case erhält man keinen Retourenschein mehr, sondern sofort einen Preisnachlass gutgeschrieben – und behält den Artikel einfach.
Amazon spricht von einer „flexiblen Option“ im Rückgabeprozess, die Zeit sparen und unnötige Transporte vermeiden soll. Die Teilrückerstattung erfolgt in der Regel automatisiert direkt über das Amazon-Kundenkonto. Wählt man die Behalte-Option, wird der Erstattungsbetrag umgehend über die ursprüngliche Zahlungsmethode ausgezahlt. Gleichzeitig bleibt der Artikel beim Kunden – es muss nichts zurückgeschickt werden.
Amazon betont zudem den ökologischen Vorteil: Jede vermiedene Rücksendung spare Transportwege, Verpackungsmaterial und Emissionen.
Wann und für welche Produkte bietet Amazon das an?
Die Behalte-Option erscheint nicht bei jeder Rückgabe, sondern nur in bestimmten Fällen. Welche Kriterien genau dafür erfüllt sein müssen, ist von außen schwer vorherzusagen. Amazon nennt beispielhaft Faktoren wie Größe, Preis des Artikels oder den angegebenen Rückgabegrund.
Beobachtet wurde die Option vor allem bei kleineren Elektronikartikeln (z. B. Kopfhörer, Staubsauger) – insbesondere bei leichten Mängeln. Die Entscheidung trifft ein Algorithmus, der die Kriterien bewertet.
Beispiele:
- Ein Kunde erhielt beim 100-€-Smartphone einen Nachlass von 8,40 €.
- Andere Nutzer berichten von lediglich 2,99 € – unabhängig vom Warenwert.
Erste Erfahrungen zeigen: Häufig liegt der Pauschalbetrag bei ca. 2,99 €. Wie Amazon diese Summen berechnet, bleibt unklar. Das Angebot gilt zudem nicht für alle Kategorien – etwa bei sehr günstigen, sehr großen Artikeln oder Büchern erscheint es teilweise gar nicht.
Es wurde sogar berichtet, dass die Option bei preisgebundenen Büchern auftauchte – was problematisch mit der Buchpreisbindung wäre. Hier äußert sich Amazon bislang nicht eindeutig.
Was bedeutet die Teilrückerstattung rechtlich?
Rechtlich gesehen handelt es sich um eine Kaufpreisminderung: Kund:innen behalten den Artikel trotz Mangels und erhalten dafür einen reduzierten Kaufpreis zurück.
Wichtig: Kund:innen verzichten dadurch nicht auf Gewährleistungsrechte. Treten später weitere oder schwerwiegendere Mängel auf, kann man weiterhin eine Nachbesserung oder Rückabwicklung verlangen.
Mit Zustimmung zur Teilrückerstattung akzeptiert man jedoch den aktuell gemeldeten Mangel – dieser gilt als abgegolten. Verbraucherschützer:innen warnen: Wer vorschnell ein Angebot annimmt, akzeptiert damit de facto den Defekt. Spätere Beschwerden könnten dann erschwert sein.
Welche Risiken gibt es für Kund:innen?
- Der Erstattungsbetrag ist oft sehr gering. 2,99 € wirken kaum angemessen bei teuren Artikeln oder relevanten Mängeln.
- Man behält ggf. ein funktional oder sicherheitsrelevantes defektes Produkt. Bei Elektrogeräten oder Kindersitzen ist das ein echtes Risiko.
- Spätere Reklamationen können schwieriger werden. Der erste Mangel gilt als abgegolten.
- Missbrauch kann zur Kontosperrung führen. Amazon erkennt untypisch häufige Reklamationsversuche schnell.
Wann lohnt sich die Behalte-Option – und wann nicht?
Lohnend ist die Option, wenn …
- der Mangel minimal ist (Schönheitsfehler, leichte Verpackungsschäden);
- Sie das Produkt trotz Mangel behalten möchten;
- der Nachlass angemessen erscheint;
- Sie den Artikel schnell benötigen und keine Zeit für Umtausch haben.
In solchen Fällen spart man Zeit, Aufwand und vermeidet unnötige Transporte.
Nicht lohnend ist die Option, wenn …
- der Artikel funktionale Mängel hat,
- sicherheitsrelevante Defekte bestehen (Elektronik, Kindersitze),
- Sie mit dem Produkt generell unzufrieden sind,
- der gebotene Nachlass unverhältnismäßig gering ist.
In solchen Situationen ist die reguläre Retoure fast immer die beste Wahl.
Einschätzung von Verbraucherschützer:innen
Verbraucherschützer:innen begrüßen zwar die Idee weniger Retouren, sehen jedoch Risiken. Die Sorge: Verbraucher könnten sich daran gewöhnen, Mängel gegen Minirabatte stillschweigend zu akzeptieren – zulasten ihrer eigenen Ansprüche.
Sie erinnern daran, dass Widerrufsrecht (14 Tage, Amazon: 30 Tage) und Gewährleistung zentrale Verbraucherschutzinstrumente sind. Für ein mangelfreies Produkt bezahlt man – also sollte man es auch bekommen.
Tipps für die beste Vorgehensweise bei Reklamationen
- Artikel gründlich prüfen: Sicherstellen, dass es wirklich nur ein kleiner Mangel ist.
- Nachlass realistisch bewerten: Steht er im Verhältnis zum Defekt?
- Optionen offenhalten: Verpackung aufbewahren – innerhalb der Rückgabefrist ist eine reguläre Retoure weiterhin möglich.
- Kundenservice kontaktieren: Bei größeren Mängeln kann Amazon Kulanz zeigen.
- Widerrufsrecht nutzen: Unzufrieden? Regulär zurückschicken.
- Nicht missbrauchen: Häufige „auf gut Glück“-Mängelmeldungen können zur Kontosperrung führen.
Fazit
Amazons neue Behalte-Option kann in Einzelfällen praktisch sein und Aufwand sparen. Leichte Schönheitsfehler gegen ein paar Euro Rabatt zu akzeptieren, kann sich lohnen – besonders im Sinne von Nachhaltigkeit.
Doch Verbraucher sollten ihre Rechte nicht unterschätzen: Wer für ein neues Produkt bezahlt, sollte einwandfreie Ware bekommen. Die Behalte-Option ist also nur dann sinnvoll, wenn der Mangel wirklich gering ist und der Nachlass fair erscheint.
Andernfalls gilt: lieber regulär zurückschicken und auf Nummer sicher gehen.